600 Jahre Landtag Steiermark
Festvortrag anlässlich 600 Jahre Landtag Steiermark von Hofrat Dr. Josef Riegler, ehem. Leiter des Steiermärkischen Landesarchivs
600 Jahre Landtag Steiermark! Eine wahrhaft lange Zeit für eine Einrichtung, deren Ursprung im Mittelalter liegt. Der Landtag für die Steiermark tritt uns erstmals in einer Zeit entgegen, in der sich nach den Auseinandersetzungen im Herrscherhaus, rund ein halbes Jahrhundert nach der großen Pestepidemie sowie der größten bisher bekannten Überschwemmungskatastrophe in Mitteleuropa die Lage wieder stabilisiert hatte.
In der Geschichte unseres Landtages lassen sich mehrere Entwicklungsphasen von höchst unterschiedlicher Dauer festmachen. Jede dieser Phasen hatte ihre eigenen Charakteristika, von denen ich in den folgenden Ausführungen einige nur streifen, andere etwas eingehender ansprechen werde.
600 Jahre Landtag Steiermark! Die „Regierungsbank" und die „Stenographentische" dienen heute und morgen nicht ihrem eigentlichen Zweck, sondern als Platz für besondere Originale aus der Landesgeschichte. Die Originaldokumente stammen zur Gänze aus dem Steiermärkischen Landesarchiv. Sie werden ergänzt durch ein von seiner Symbolik her besonders hervorzuhebendes Original aus dem Universalmuseum Joanneum: den steirischen Herzogshut.
Drei, ihrer äußeren Erscheinung nach unscheinbare Urkunden aus dem Jahr 1412 stellen den quellenmäßigen Anlass für die heutige Feier dar. Eines dieser Dokumente ist für zwei Tage im Plenarsaal des Landtages zu sehen. Es ist das „Ladschreiben", also die Ladung Erzherzog Ernst des Eisernen an Graf Saurer, den damaligen Pfleger der Burg Gösting nördlich von Graz, zu einer Beratung der Stände mit dem Landesfürsten. Der Erzherzog rief das Landvolk der Steiermark „um Rat und Hilf" an. Die beiden Worte stehen in der vorletzten Zeile.
Mit der „Georgenberger Handfeste" und dem Herzogshut sind die beiden symbolträchtigsten Stücke aus dem archivalischen und musealen Besitz des Landes Steiermark für zwei Tage an jenem Ort vereint, in dem über viele Jahrhunderte Geschichte „geschrieben" und historische Weichenstellungen vorgenommen wurden.
Zunächst zur Vorgeschichte. Nach Abschluss der Landeswerdung der Steiermark um die Mitte des 12. Jahrhunderts liefen die Fäden der Macht im jungen Territorium beim Markgrafen, ab 1180 beim Herzog zusammen. Dem Gesellschaftsaufbau im Hochmittelalter entsprechend zog der Herrscher seine Gefolgschaft zur Beratung wichtiger Gegenstände hinzu. Die Standesgenossen fanden sich zu Taidingen und Einungen zusammen. Taidinge gab es auch im allgemeinen Rechtsbereich, Einungen hingegen nur beim Adel des Landes zu bestimmten Fragen. Daraus entwickelte sich in einem längeren Prozess schließlich der Landtag als offizielles Vertretungsorgan.
In der Burg zu Graz hängt ein Gemälde aus der Zeit um 1860 (Ernst Christian Moser, 1863), das die Vorgänge auf dem Georgenberg bei Enns im August 1186 in historisierender Weise darstellt. In der Bildmitte ist eine Urkunde zu sehen. Sie werden sich vielleicht fragen, was denn eine Urkunde über einen Erbvertrag aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit der 600-jährigen Geschichte des Landtages zu tun hat? Wurde sie doch über zwei Jahrhunderte vor dem Entstehen des Landtages ausgestellt.
Die Bedeutung der Georgenberger Handfeste liegt in ihrer Rolle, die sie für die Landstände und das Land inhaltlich gespielt hat. Sie ist übrigens die älteste Verfassungsurkunde der heute österreichischen Länder. Sie kann auch als der älteste österreichische „Staatsvertrag" angesehen werden.
In der Georgenberger Handfeste wurden die Rechte der steirischen Ministerialen festgeschrie-ben, die nach dem Tod Herzog Otakars durch den Übergang der Landesherrschaft auf den Babenbergerherzog gelten sollten. Seit dem Eintritt des Erbfalles 1192 wurden die Herzogtümer Österreich und Steiermark vom selben Herrscher regiert. Das war kein Beitritt der Steiermark zu Österreich, keine Bildung eines gemeinsamen Territoriums, sondern eine Personalunion. Letztlich markiert das Jahr 1192 den Beginn einer langen gemeinsamen Geschichte der beiden Herzogtümer.
Die Georgenberger Handfeste ist das historisch bedeutendste Dokument sowohl des Landes Steiermark als auch des Steiermärkischen Landesarchivs. Sie weist einige formale Besonderheiten auf, die auch eine Geschichte erzählen. Ein Teil dieser Besonderheiten spiegelt die Vorgänge auf dem Georgenberg bei Enns vor dem 17. August 1186 wider. Die Verhandlungen zogen sich hin. Mit der Ausfertigung der Urkunde - an ihr waren mindestens zwei Schreiber tätig - wurde noch vor dem Abschluss der Verhandlungen begonnen. Einige der als Zeugen vorgesehenen Personen haben den Versammlungsort offenbar noch vor der Fertigstellung der Urkunde verlassen. Das wird in den frei gebliebenen Stellen der Zeugenreihe sichtbar.
Der Text enthält auch mehrere Nachträge aus unterschiedlicher Zeit. Das ist die Folge späterer Vorgänge und Anpassungen. Über den 5 Punkten stehen die Wörter: De est. Das größere Siegel rechts ist das Siegel Herzog Otakars, das kleinere Siegel links das Herzog Leopolds. Beide Siegel sind in einem schlechten Erhaltungszustand.
Von den, einschließlich der Nachträge, 21 Punkten der Urkunde möchte ich zwei herausgreifen. Erstens: Jeder Nachfolger Otakars sollte die zu Gunsten der Klosterleute, Ministerialen und Landleute der Steiermark festgeschriebenen Bestimmungen einhalten. Würde er sich als ungerechter Herrscher und Tyrann erweisen, stand es den Steirern frei, den Kaiserhof anzurufen und durch diese Handfeste („privilegium") ihr unverbrüchliches Recht zu fordern. Die zweite Bestimmung hat, frei übersetzt, folgenden Inhalt: "Von jenen Bedrückungen und Steuereintreibungen, wie sie bekanntermaßen durch österreichische Schergen geschehen, soll das Land unserer Herrschaft, so wie es bisher war, nach unserem Willen frei sein." Wir sehen eine einigermaßen selbstbewusste Gefolgschaft des Herzogs, deren Rechte durch den Übergang der Landesherrschaft auf die Babenberger nicht verschlechtert werden sollten.
Das Selbstverständnis der Adeligen des Landes entwickelte sich im 13. Jahrhundert immer mehr zur Vertretung des Landes gegenüber dem Landesfürsten. Nach einem tiefgreifenden sozialen Wandel im Adel verstanden sich die Herren und Ritter des Landes mit der Geistlichkeit als die Landesrepräsentation. Zusammen mit dem Vertreter der landesfürstlichen Städte und Märkte bildeten sie die Landstände. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts mehren sich die Anzeichen, dass es gemeinsame Beratungen in einer Weise gegeben hat, die schon einige Merkmale eines Landtages aufwiesen.
Das Beziehungsgefüge zwischen den Ständen und dem Landesfürsten wurde nach dem „alten Herkommen" von Gegenseitigkeit geprägt. Der Herr schuldete seinen Untertanen Schutz, die Untertanen im Gegenzug dafür Rat und Hilfe. Um Rat und Hilfe ersucht der Landesfürst auch im Text des Ladschreibens von 1412.
Für die Landstände war der „Rat" eine Sache, die wenig kostete. Anders verhielt es sich mit der „Hilfe". Wenn z. B. der Landesfürst finanzielle Not litt, mussten die Landstände in Form von Steuern Hilfe leisten. Bei jedem Landtag, in der Vergangenheit genauso wie in der Gegenwart, ging und geht es um finanzielle Belange. Der kurze Satz: „Landtage sind Geldtage" charakterisiert die Hauptbelange sehr gut.
Die Landstände betrachteten das Recht auf Steuerbewilligung als ihr wichtigstes Recht. Nach ihrer Auffassung war die dem Landesfürsten bewilligte Steuer keine Abgabe, sondern eine Beihilfe für besondere Umstände. Aber: Die Kriegsführung, der fürstliche Haushalt und der Ausbau der Verwaltung verschlangen stets größer werdende Summen. Nach jeder Steuerbewilligung stellte der Landesfürst einen „Schadlosbrief" aus, in dem er bestätigte, dass durch die bewilligte Steuer das ständische Steuerbewilligungsrecht keine Schmälerung erleiden würde. Eine ergänzende Bemerkung zur Steuerfrage ist anzubringen: Gezahlt haben nicht die Landstände, sondern ihre Untertanen, vor allem die Bauern auf dem Lande.
Der Landesfürst wiederum beharrte konsequent auf seinem Recht zur Einberufung von Landtagen. Fanden sich die Landstände ohne landesfürstliche Einberufung zu einem Landtag ein, so sprach der Landesfürst von einem „gewillkürten" Landtag.
Als z. B. die Landstände von Steiermark, Kärnten und Krain im Oktober 1462 zu einem „Ausschusslandtag" zusammentraten, empfand Kaiser Friedrich III. „ein hochs verdriessen", entsandte aber wegen der für ihn widrigen Umstände dennoch einen Kommissär mit seiner „Werbung".
Erbhuldigung
Jeder neue Landesfürst war verhalten, die Beachtung der „Landesfreiheiten" zu beschwören. Erst dann leisteten ihm die steirischen Stände die Huldigung. Über die Verhandlungen und Vereinbarungen bezüglich der Landesfreiheiten wurden von den neuen Landesfürsten Bestätigungen in Urkundenform ausgestellt. Mit diesen Landhandfesten wurde die Landesverfassung jeweils den herrschenden Umständen und Bedürfnissen angepasst. Die Landhandfesten mit den Landesfreiheiten wurden erstmals 1523 in gedruckter Form herausgegeben. Die Summe der in den Landhandfesten enthaltenen Bestimmungen bildeten bis 1848 de facto die steirische Landesverfassung.
Für die Huldigung der Stände wurde allmählich der Ausdruck „Erbhuldigung" üblich. Je stärker sich das Selbstverständnis des steirischen Landesfürsten, der ja bis 1806 fast immer mit der Person des römisch-deutschen Kaisers oder Königs identisch war, in Richtung absolutem Herrschaftsverständnis entwickelte, umso weniger war man geneigt, den Steirern den Wunsch nach der Erbhuldigung zu erfüllen.
Mit Kaiser Karl VI. zogen sich die Verhandlungen über die Erbhuldigung lange Zeit hin. Der kritische Punkt war der geforderte Eid des Kaisers auf die Landesfreiheiten vor der Huldigung der steirischen Stände. Der Kaiser war 1728 nur bereit, den Eid in privato vor einer Abordnung von sechs Ständevertretern in der landesfürstlichen Burg zu Graz zu leisten.
Der Ablauf der Erbhuldigung wurde auch in einem Druckwerk veröffentlicht, dem die entscheidenden Szenen als Kupferstiche beigegeben waren. Der Erbhuldigung 1728 ist auch die älteste erhaltene Innenansicht des Landtagssitzungssaales zu verdanken. Der Titel des Blattes lautete „Wie die Land Stände in denen Landtägen und anderen Handlungen zu sitzen pflegen." Beim großen Tisch rechts oben sitzt der vorsitzführende Landeshauptmann, ihm zur Rechten der Landmarschall, der die landesfürstliche Proposition vorträgt. Mit dem Rücken zum Betrachter sitzt der Obersekretär, der das Protokoll führt.
Ich möchte Ihren Blick auf jene Person lenken, die neben den kirchlichen Würdenträgern auf der Prälatenbank sitzt. Es ist dies der Städtemarschall, der als einziger Vertreter der landesfürstlichen Städte und Märkte landtagsberechtigt war. Übrigens, 1728 hatten nicht alle in der Landstube anwesenden Personen - wie bei der heutigen Festveranstaltung - einen Sitzplatz.
Herzogshut
Ausgestellt ist heute auch der steirische Herzogshut. Er ist der älteste der drei erhaltenen habsburgischen Herzogshüte. Er stammt in wesentlichen Teilen aus der Zeit um 1400.
Als der Herzogshut für die Erbhuldigung 1728 benötigt wurde, war er nicht auffindbar. Jahre später fand man ihn anlässlich der Auflösung und Verbringung der Grazer Schatz- und Kunstkammer nach Wien in einem Gewölbe der Grazer Burg. Sein Zustand war erbärmlich. Er wurde 1766 restauriert und modifiziert. Der mit Krabben besetzte Bügel mit dem aufgelöteten Kreuz blieb in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Kaiser Joseph II., der als radikaler Reformer den zentralistisch ausgerichteten habsburgischen Einheitsstaat vollendete, ließ 1785 sehr zum Missfallen der Landstände den steirischen Herzogshut nach Wien bringen. Er kam allerdings unter seinem Nachfolger wieder zurück und wurde von den Ständen gleichsam im Triumphzug nach Graz geleitet. Sie bewahrten ihn in einer Eisenkiste in der landschaftlichen Depositenkasse im Landhaus auf. Seit 1908 befindet er sich im Joanneum, seit 1926 ist der „historische Hut" Teil des offiziellen Landeswappens.
Landeswappen
Markgraf Otakar III. wählte im 12. Jahrhundert den Panther als sein Wappentier. Es versinnbildlicht den auferstandenen Christus. Anfänglich verströmte der Panther Feuer nur aus seinem Rachen. Dem Selbstverständnis der Landstände als Vertreter eines im Abwehrkampf gegen die Türken bewährten christlichen Landes entsprechend wurde der Panther seit dem 16. Jahrhundert mit Feuerströmen aus weiteren Körperöffnungen dargestellt. In dieser Gestalt ist er in der gedruckten Ausgabe der Landhandfeste von 1523 dargestellt.
Das dem Panther von Hand beigefügte elegische Distichon kündet vom Selbstverständnis des Landes bzw. der Landstände:
Nemo Styrorum Pantheram tangere tentet
ructat ab ore ignem posteriusque cacat.
Was frei übersetzt so viel heißt wie:
Niemand wag' es, den Panther der Steirer mit Arglist zu reizen;
Feuer versprühet sein Maul, Feuer der Hintere auch.
Landhaus
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts wurden Landtage an unterschiedlichen Orten durchgeführt. Allmählich wurde der Wunsch immer größer, in der Hauptstadt des Herzogtums einen ständigen Versammlungsort zu errichten. Den ersten Schritt dazu setzten die Landstände 1494 durch den Ankauf eines Hauses in der Herrengasse. Der Grazer Bürger Heinrich Ernnst verkaufte an die „prelatten" und die vom Adel das Chanzley genannte Haus. Besiegelt wurde die Urkunde vom Grazer Stadtrichter und einem Ratsbürger.
Ausgehend von diesem Gebäude bauten die Landstände ihren Sitz zielstrebig aus. Sie kauften angrenzende Objekte hinzu und gestalteten das ganze Areal zu einem repräsentativen Gebäude aus. Der zwischen 1557 und 1565 unter der Leitung des Baumeisters Domenico dell'Aglio geschaffene prachtvolle Renaissancebau wurde auf dem Höhepunkt der Ständemacht errichtet. Das Bild zeigt den Innenhof im Jahr 1680.
Damit wurde der zwischen den Landständen und dem Landesfürsten herrschende Dualismus in der Leitung des Landes auch baulich sichtbar. Der Landesfürst wohnte entweder selbst in der Grazer Burg oder hatte hier seinen Vertreter sitzen. Die Landstände hatten mit dem „Ständehaus" ihren eigenen Sitz und hier auch ihre Ämter konzentriert. Teilweise diente das Haus auch Wohnzwecken.
Diese Zweigleisigkeit in der Verwaltung der Steiermark war übrigens auch nach der Schaffung des Bundeslandes Steiermark für einige Jahre in den Bezeichnungen der Behördenapparate durch den Ausdruck „Landesregierung Burg" und „Landesregierung Landhaus" sichtbar. Dies wurde erst durch die Schaffung des „Amtes der Steiermärkischen Landesregierung" 1925 beendet.
Auf der Regierungsbank befinden sich einige Objekte, die ich in meinen bisherigen Ausführungen noch nicht erwähnt habe. Sie stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die beiden ersten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gebäude, konkret mit dem sogenannten Rittersaal. In diesem Raum ließen die landtagsberechtigten Stände ihre Wappen in einer langen umlaufenden Reihe anbringen. Alle diese Wappen hat der in den Diensten der Landschaft stehende Buchdrucker und Formschneider Zacharias Bartsch 1567 in seinem Wappenbuch im Druck veröffentlicht.
Aufgeschlagen ist die Seite mit dem Wappen der Ungnad. Hans Ungnad war übrigens ein glühender Protestant und von 1530 bis 1556 Landeshauptmann der Steiermark. Neben dem Wappenbuch liegt ein originaler Druckstock aus Holz, mit dem dieses Buch 1567 illustriert wurde.
Die protestantischen Landstände erreichten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Höhepunkt ihres Einflusses auf die Geschicke des Landes. Ihr Gegenspieler war seit 1564 der streng katholische Erzherzog Karl II. Er heiratete im August 1571 seine bayrische Nichte, Prinzessin Maria Anna. Die Hochzeit wurde in Wien gefeiert. Dem hochgestellten Paar wurde Anfang September in Graz ein triumphaler Empfang bereitet. Der Erzherzog und seine Braut reisten übrigens von Bruck an der Mur bis nördlich von Graz auf dem Wasserweg an.
Der landschaftliche Registrator Wenzel Sponrib - gewissermaßen ein Vorläufer eines Archivars - gab aus diesem Anlass ein Druckwerk mit bildlichen Darstellungen heraus. Ausgestellt ist hier die Szenerie beim festlichen Einzug in Graz. Sponrib berichtet, dass fast 4.000 Schüsse aus Kanonen und Hakenbüchsen als Salut abgefeuert wurden. Das ist auf dem Bild an den Rauchwolken gut erkennbar.
Dieses überaus seltene Druckwerk bildet die sinnbildhafte Brücke zum späteren Geschehen im Glaubenskampf. Maria Anna war zutiefst katholisch und eine energische Person mit großem Einfluss auf den Landesfürsten.
Erzherzog Karl II. musste gegenüber den protestantischen Landständen ständig zwischen Zugeständnissen und Härte taktieren. Die geopolitische Lage war im 16. Jahrhundert für das Gebiet Innerösterreichs, der von Karl II. beherrschten Ländergruppe, wegen der immer wieder aufflammenden Gefahr durch die osmanischen Türken sehr schwierig. Der Abwehrkampf verschlang große Teile des steirischen Landesbudgets. Die Stände stimmten immer wieder Steuerforderungen zu Verteidigungszwecken zu. Das lag auch in ihrem eigensten Interesse - gezahlt haben die Steuern überwiegend die Untertanen.
Die protestantischen Stände benützten jede Gelegenheit, in Religionsfragen weitere Zugeständnisse des Landesfürsten zu erreichen. Sie ließen mehrfach die wichtigsten davon schriftlich zusammenfassen. Auch auf dem Landtag des Jahres 1572 standen Religionsfragen auf der Tagesordnung. Die Landtagshandlungen sind übrigens in geschlossener Reihe seit 1757 im Landesarchiv vorhanden.
Schließlich verfasste die ständische Kanzlei 1580 das als „Religionspazifikation" bekannt gewordene Pergamentlibell. Es wurde von sieben Mitgliedern des Herren- und Ritterstandes unterfertigt und besiegelt. Die katholischen Prälaten unterfertigten dieses Dokument natürlich nicht.
Zwischen den Landständen und dem Landesfürsten herrschte über Jahrhunderte ein gewisser Gegensatz. Es war dies das latente Ringen um Geld und Einfluss im Herzogtum Steiermark. Die habsburgischen Landesfürsten verfolgten nach der Beendigung der Glaubensfrage noch konsequenter das Ziel, aus den von ihnen beherrschten Ländern einen zentral geführten Einheitsstaat zu formen.
Dabei kam ihnen nach 1628 nach Ausweisung des protestantischen Adels das schwindende Interesse der Stände an den Landtagen entgegen. Die auf den Landtagen erhobenen Geldforderungen des Landesfürsten wurden immer mehr zu einer Formalsache, die auf den teilweise als „Postulatlandtagen" bezeichneten Landtagen ohne großen Widerstand der Stände bewilligt wurden.
Innerhalb der Stände verschob sich in dieser Zeit das Gewicht mehr und mehr auf die Seite des Großgrundbesitzes. Parallel dazu setzte ein Verfall der Sitten im Adel ein. Auch im Landhaus ereignete sich so manch Unerfreuliches. Begünstigt wurde der Niedergang aber vor allem durch die schlechte Finanzlage des Landes.
Auch in der Buchhaltung der Landschaft gab es viel Verbesserungspotential. Die landesfürstliche Regierung bezeichnete 1676 den ganzen ständischen Apparat und dessen Führung als Unhauswirtschaft. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Geldgebarung des Landes schließlich unter direkte Regierungskontrolle gestellt.
Die weitere Entmachtung des Landtages ist an zwei Maßnahmen des 18. Jahrhunderts abzulesen. Als Kaiser Karl VI. sich zu Beginn seiner Regierungszeit intensiv bemühte, die weibliche Erbfolge sowie die Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder durchzusetzen, erhoben die steirischen Stände keinen Widerspruch. Sie nahmen die in der 1713 erlassenen „Pragmatischen Sanktion" enthaltene Thronfolgeregelung in „dankbarer Unterwerfung" an. Damit stimmten sie dem von oben verordneten Einheitsstaat zu.
Kaiserin Maria Theresia vollendete die Entmachtung der Landstände. Seit 1748 musste der Landtag im Rahmen der sogenannten „Dezennalrezesse" die Steuern auf zehn Jahre im Voraus bewilligen. Die Gesamtheit der übrigen grundlegenden Reformen in der Verwaltung, insbesondere die Entmachtung der Grundherren in der unteren staatlichen Verwaltung, führten zu einem weiteren Niedergang der Landstände und zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Landtages.
Den Schlusspunkt setzten die Landstände im Revolutionsjahr 1848 selbst. Der gesellschaftliche Wandel und die Erkenntnis, dass neben der Aufhebung der Grunduntertänigkeit auch grundlegende Reformen in der Zusammensetzung des Landtages zur Verbesserung der allgemeinen Situation im Lande unausweichlich seien, führten zur Selbstauflösung des Landtages. Damit ging die erste und längste Phase der Landtagsgeschichte zu Ende.
Nach der bürgerlichen Revolution des Jahres 1848 und dem Ende der Feudalzeit kehrten nicht viel später wieder absolutistische Tendenzen ein. In dieser rund zehn Jahre dauernden Phase wies der zentrale habsburgische Einheitsstaat dem Herzogtum Steiermark die Rolle eines Verwaltungsbezirkes ohne wesentliche Selbstverwaltungskompetenz zu.
Die dritte Phase in der Geschichte des Landtages begann 1861 mit der im sogenannten Februarpatent erlassenen Landesordnung und der damit verbundenen Landtagswahlordnung. Obwohl der Ausdruck „Landesverfassung" im Text nicht vorkommt, handelte es sich bei der Landesordnung um eine Landesverfassung. Sie wurde im Reichsgesetzblatt kundgemacht. Für das Herzogtum Steiermark wurde je ein Exemplar in deutscher und slowenischer Sprache ausgefertigt und dem Landesarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Das deutsche Exemplar befindet sich heute unter den Exponaten auf der Regierungsbank.
Die Steiermark erhielt wieder einen autonomen Wirkungsbereich. In Landesangelegenheiten hatte der Landtag das Land zu vertreten. Seine Befugnisse wurden entweder durch den Landtag selbst oder durch den „Landesausschuss" ausgeübt.
Die Landesordnung 1861 machte die Sitzungen des Landtages erstmals in seiner Geschichte öffentlich zugänglich. Das Bild zeigt die Landstube im Jahr 1871. Die letzte Landtagssitzung nach der Verfassung von 1861 fand 1914 statt. Kaiser Franz Joseph veranlasste jedoch am 14. März 1914 die Vertagung der Sitzung. Sie wurde bis zum Ende der Monarchie nicht wieder einberufen.
Bundesland
Die deutschsprachigen Reichsratsabgeordneten der Steiermark bildeten Anfang November 1918 eine provisorische Landesversammlung. Die konstituierende Sitzung fand am 6. November 1918 statt. Sie beschloss, aus dem geschlossenen deutschsprachigen Siedlungsgebiet des ehemaligen Kronlandes Steiermark unter der Bezeichnung „Land Steiermark" eine gesonderte, eigenständige Provinz des Staates Deutschösterreich zu bilden, den Beitritt zu diesem Staat zu vollziehen und die Nationalversammlung als oberste staatliche Gewalt anzuerkennen. Anfang
Dezember folgte der Beschluss einer Landesordnung für Steiermark. Die provisorische Landesversammlung wurde von den politischen Parteien beschickt. Seit der ersten Landtagswahl am 11. Mai 1919 hatte die Steiermark erstmals einen voll demokratisch legitimierten Landtag. Erstmals hatten Frauen bei Landtagswahlen das aktive und passive Wahlrecht. Drei Frauen wurden in den Landtag gewählt.
Die zunehmende Kompromisslosigkeit in der Auseinandersetzung zwischen den großen politischen Parteien und die aufkeimende nationalsozialistische Betätigung bereiteten in den 1930er Jahren den Boden für eine sich anbahnende Katastrophe vor. Zunächst wurde 1933 nach der Ausschaltung des Parlamentes der Weg zum autoritären Ständestaat geebnet. Die Landesverfassung wurde 1934 ständisch ausgerichtet. Die 36 Mitglieder des Landtages wurden nach berufsständischen Kriterien bestimmt und vom Landeshauptmann ernannt. Die Funktionsperiode sollte sechs Jahre dauern. Allerdings fand die letzte Sitzung am 17. Jänner 1938 statt.
Mit dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutsche Reich gingen in Österreich die letzten verbliebenen demokratischen Strukturen unter. Die Bundesländer wurden 1939 zu staatlichen Verwaltungsprovinzen und Selbstverwaltungskörperschaften umgewandelt.
Mit dem Zusammenbruch des verbrecherischen nationalsozialistischen Regimes, nach bis dahin unvorstellbaren Gräueltaten und Verbrechen, nach unsäglichem Leid und Zerstörung des Landes begann mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch eine neue Phase in der Entwicklung des Landtages.
Es gab keine Kontinuität demokratischer Strukturen. Diese waren vom Ständestaat und der NS-Diktatur grundlegend zerstört worden. Der Aufbau demokratischer Verhältnisse in der Landesregierung und die Wiedererrichtung des Landtages als Landesparlament geschah unter der Aufsicht der Britischen Militärregierung für Steiermark als Besatzungsmacht. Der im November 1945 neu gewählte Landtag setzte Anfang Jänner 1946 die Landesverfassung 1926 mit den bis 1930 erfolgten Novellierungen in Kraft. Entsprechend dem Alliierten Kontrollabkommen vom Juni 1946 konnte der Landtag einfache Gesetze ohne formelle Genehmigung der Besatzungsmacht kundmachen. Aus diesem Anlass fand im Landtag eine Festsitzung in Anwesenheit von Vertretern der Britischen Militärregierung und des Bundeskanzlers statt.
Die Mitglieder des Landesparlaments und der Landesregierung hatten in den schwierigen Jahren nach Kriegsende 1945 so manche Bewährungsprobe zu bestehen. Unter dem Eindruck der bitteren Erfahrungen nichtdemokratischer Zeiten dominierte über weite Strecken zum Wohle des Landes und seiner Bevölkerung eine konsensorientierte Politik das Geschehen in der Steiermark.